Nach einem zeitigen Frühstück werden Sie im Hotel abgeholt. Unterwegs kann auf Wunsch Halt bei einer Frauenkooperative gemacht werden, die Produkte für Küche und Kosmetik aus den Beerenfrüchten des Arganbaums herstellt. An der Strasse nach Essaouira wachsen Arganbäume, zwischen denen Ziegen, Schafe und manchmal auch Kamele nach Futter suchen. Diese Bäume sind nur im Südwesten Marokkos heimisch und die Gebiete der sogenannten „Arganeraie“ wurde 1998 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt. Im Jahr 2014 wurden die traditionellen, seit Jahrhunderten überlieferten Kenntnisse und Verfahren zur Nutzung des Arganbaums und seiner Früchte von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Gegen Mittag treffen wir in der Küstenstadt Essaouira ein.
Die Ursprünge Essaouiras reichen bis ins 7. Jh. v. Chr. zurück, als die Phönizier den Ort mit dem Namen „Migdol“ gründeten. Sie ist die südlichste aller bisher bekannten phönizischen Niederlassungen. Im 5. Jh. v. Chr. legte der karthagische Admiral Hanno hier einen Stützpunkt mit Hafen und Handelsplatz an. Im 1. Jh. liess der über das Königreich Mauretanien herrschende Nubierkönig Juba II. an der Küste riesige Mengen an Purpurschnecken zu Farbstoff verarbeiten und verkaufte diesen zu exorbitanten Preisen an die römische Elite.
Die Farbe Purpur war damals dem Kaiser und den Senatoren vorbehalten – wie auch später im Mittelalter der Farbstoff ausschliesslich für Kleidungsstücke hoher weltlicher und geistlicher Würdenträger bestimmt war. Die der Küste vorgelagerten Purpurinseln erinnern an die Farbstoffmanufaktur vor 2000 Jahren.
Im 16. Jh. wurde die Hafenstadt zu einer portugiesischen Festung. Die Portugiesen nannten die Stadt Mogador. Namensgeber soll der auch heute noch als Schutzpatron der Stadt verehrte Heilige Sidi Mogdul gewesen sein. Im 18. und 19. Jh. war die Blütezeit Mogadors und die Stadt gelangte zu ansehnlichem Wohlstand; 40 % des Überseehandels des Landes wurde hier abgewickelt. Es kamen Karawanen aus Timbuktu und tauschten Gold und Elfenbein aus dem Süden gegen Lederwaren, Zucker und Salz aus Marokko. Im 20. Jh. nahm die Bedeutung als Handelsplatz ab, weil andere Städte wie Agadir und Casablanca zu Konkurrentinnen herangewachsen sind. Den heutigen Namen Essaouira trägt die Stadt seit 1956, als Marokko von Frankreich die Unabhängigkeit erlangte.
Die befestigte Medina ist das Werk von Théodore Cornut, ein französischer Mathematiker und Militärarchitekt des 18. Jh. Er war ein Schüler des berühmten Festungsbaumeisters Marquis de Vauban. Cornut wurde von Sultan Sidi Mohamed Ben Abdallah 1766 beauftragt, die Stadt (heutige Altstadt) neu zu errichten. Auffällig – und konträr zu allen anderen Medinas in Marokko – ist vor allem die annähernd rechtwinklige Anordnung von Wegen und Strassen. Für den Bau der Stadt wurden Gefangene abgeordnet. Cornut liess die Stadtmauern nach dem Vorbild der Mauern im bretonischen St. Malo errichten.
Die Medina von Essaouira zählt seit 2001 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Heute ist Essaouira bei Kunstschaffenden und Kunstliebhabern sehr beliebt. In der Medina finden sich zahlreiche Galerien mit Werken lokaler Maler. Auch eine grosse Vielfalt an verschiedenen Kunsthandwerkern bietet ihre Ware in der überschaubaren Medina feil. Das Zentrum der Altstadt bildet der Platz Moulay Hassan, wo oft Darbietungen von Musikern, Tänzern oder Akrobaten stattfinden oder Wasserverkäufer mit ihren traditionellen Schellengewändern zu sehen sind. Blickt man in Richtung Medina und geht am Platz links, gelangt man in die kleine Gasse Rue Skala. Sie führt der Stadtmauer entlang zur Skala de la Kasbah, eine mit Kanonen bestückte Plattform auf der Festungsmauer. Von diesem nördlichen Ende der Bastion geniesst man einen schönen Blick über die Stadt. Das Meer schlägt hier in rauer Brandung an die Klippen.
Zwischendurch werden Sie immer wieder für Essaouira typische Klänge hören. Es ist Gnaoua-Musik, aus Westafrika stammend. Die Tänzer bewegen sich zum Rhythmus ebenso ekstatisch wie Voodootänzer. Vom Flanieren durch das geschäftige Treiben in den teils engen Gassen erholt man sich am besten und schönsten auf der Dachterrasse eines Restaurants nahe der Festungsmauer am Atlantik. Wer gerne Fisch isst, hat die Wahl aus einem ausserordentlich breiten Angebot fangfrischer Köstlichkeiten.
Ein Gang zum Fischereihafen am südlichen Ende der Altstadt lohnt sich unbedingt: das Gedränge von Fischern, Verkäufern, Kauf- und Schaulustigen, die salzige, nach Meer und seinen Gaben riechende Luft, hunderte von blauen Fischkuttern, dazu das Geschrei der allgegenwärtigen Möwen – auch das ist typisch für Essaouira. Wer genug vom Trubel am Hafen hat, spaziert gemütlich entlang des weitläufigen, flachen und von den Purpurinseln geschützten Sandstrands, der an den Hafen anschliesst.
Am späteren Nachmittag fahren wir um viele Eindrücke reicher nach Marrakech zurück.